Şuan Okunan
Flohmärkte als Dialograum

Flohmärkte als Dialograum

Die Leerstellen in den alten Städten nennt man Marktplätze. Das ist auch in Europa so, sicherlich auch in Asien… Es ist ein bisschen rätselhaft, ob die Mitte der Stadt als Marktplatz ausgedacht wurde, oder ob sich die Umgebung der Marktplätze in die Stadt verwandelt hat, als sie aufgebaut wurde. Die Antwort auf diese Frage, wird noch schwieriger, wenn man an die kleinen Städte denkt, die auf einem Erdteil besonders wie in Deutschland Jahrhunderte lang ihre Existenz fortsetzten.

Eigentlich schlägt das Herz von Nordstadt seit 150 Jahren auf diesem Markt: der Nordmarkt! Eben unter diesem Namen ist er bekannt: Nordmarkt. In der Woche zweimal aufgestellt ist dieser besondere Wochenmarkt gewissermaßen wie ein Schaufenster, das die kulturelle Vielfalt des Bezirks vollkommen wiederspiegelt. Auf diesem historischen Markt findet man hauptsächlich zu Trinken und zu Essen. Der mittwochs und freitags stattfindende Flohmarkt in Dortmund hat hingegen ein anderes Konzept: Auf den Ständen liegen weniger Lebensmittel, wiederrum findet man vielmehr die Stände der Trödler. Daneben fallen Tische auf, die mit neuen Produkten der Eisenwarenhändler bedeckt sind. Eigentlich braucht man nicht mehr zu zählen, all das ist hier; nicht nur die gesuchten Sachen, auch die Ungesuchten.

Den Kohlenofen der Marke “Dadaş” auf diesem Mark zu finden, ist einfacher als in der Türkei, obwohl sein Name wahrscheinlich von der türkischen Stadt Erzurum abstammt. Benachbart steht wiederum ein Stand, der mit billigen chinesischen Tablets ausgestattet ist. Man sieht sogar genau dort einen bejahrten Weihnachtsbaum, neben dem eine Statue von Jesus aus geschnitzten Holz liegt. Und außerdem: ein ungenutztes Kabel, ein mit Transistoren ausrüstendes Radio, das zuletzt in den 70’er Jahren getönt hat, die Überfülle von Schuhen und Kleidung, eine kleine Anzahl von Fahrrädern, die Fülle von Perlen und Schmuck…

Fragt nicht, wonach ich heute an diesem vom Regen schlammigen Ort suche! Also lohnt es sich, hier zu sein. Mit wenig Geld in der Tasche könnt ihr fraglos etwas Schönes finden. Zweifellos geht es nicht darum, etwas zu geben oder zu nehmen, sondern geht es darum, die Jahrtausende alte Marktkultur zu genießen. Auch ist es nicht so wichtig, wo du bist, in Nordstadt oder irgendwo anders, wenn du auf der Suche nach der ältesten Art von Dialog bist und du dessen Bedeutung, die er noch in die moderne Welt trägt, herauszufinden versuchst. Dies ist wie ein Ausflug in einem alten Fotoalbum, in dem ihr mit der Melodie aus einem riesigen antiken Radio eine lange Reise in eine damalige Zeit machen könnt. Falls ihr Realisten sein wollt, bietet euch der Flohmarkt noch ein paar Gelegenheiten: Ihr könnt die von verschiedenen Kulturen geprägten Menschen und ihre kulturellen Produkte kennenlernen. Dafür ist der Flohmarkt die richtige Adresse.

Wenn ihr die Gegenwart begreifen wollt, geht zum Flohmarkt. Wenn ihr wiederum die Geschichte verstehen möchtet, solltet ihr unweigerlich den Ort besuchen, der Altmarkt genannt wird. Beispielsweise könnt ihr in ihm “Karaköy” erkennen, der im Herzen von Istanbul Jahrhunderte lang als Welthandelsplatz bekannt war, oder ihr könnt den Ort unter dem Namen “Persembe Pazari” auf einer Landkarte des 3. Jahrhunderts als Marktplatz finden.

Hierzu noch ein Beispiel: der Heumarkt, der im Zentrum der Stadt Köln liegt und wo so oft Demonstrationen stattfinden. Nun, wisst ihr, warum der Markt so genannt wird? Nebenbei wäre es relevant, vom phantastischen mittelalterlichen Lichter-Weihnachtsmarkt in Fredenbaum zu reden, der bis Jahresende geöffnet ist. Mit den mittelalterlichen Kleidungen und Dekoren bietet der Weihnachtsmarkt nicht nur einem festlichen Anblick, sondern macht es auch möglich, einen kleinen Ausflug durch die Geschichte des hiesigen Erdteils zu machen.

Obgleich ursprünglich die türkischen Basare den Mittelalterlichen Märkten ähnlich sind, ist es ganz lehrhaft und amüsant, den Spuren der Germanen, die kulturell vollkommen reich sind, zu folgen. Mit Glühwein in die Hand ist es möglich, in einer mittelalterlichen Eisenschmiede zu sehen, wie man ein Schwert schmiedet. Freilich ermöglicht der Markt, herauszufinden, welchen Schmuck die Menschen vor eintausend Jahren angesteckt haben.

Na schön, als ob ich murmelnde Wörter hören würde: Wo ist der Dialog? Der Markt ist selbst ein Dialog. Aus sich selbst heraus ist der Basar ein Kommunikationsort. Seit Hunderten von Jahren war er schon immer so. Für die Menschen, die als kleine Gruppen gelebt hatten, waren die Märkte wesentliche Orte des Aufeinander-Treffens und des Dialogs. Mekka war auch ein offener Markt, genauso wie Rom… Die Menschen haben nicht nur Waren getauscht, sie haben auch Kultur und Kenntnisse miteinander geteilt und kollektiviert. Heute ist es immer noch so. Im Sinne der Ökonomie ist Markt ein wichtiger Begriff. Er prägt nicht nur die Ökonomie, er beeinflusst außerdem auch die gesamte Kultur.

Noch einmal zum Thema Flohmarkt: Die Bedeutung der reizenden Basare wird fast in jeder Sprache von einem kleinen Tier, vom Floh, abgeleitet. Bietet diese interessante Information aber einen Beweis dafür, wie sich der kulturelle Austausch auf der Welt ausbreitet? Wenn ihr damit umgeht, wenn ihr schaut und sprecht, wird die Natur der Dinge selbst die Möglichkeit geben, in den Dialog zu kommen; freilich gilt dies auch für die Kenntnis der Kultur, der Kunst bzw. für den Einblick in das Leben im Alltag und für viele Dinge… Einfache Voraussetzung dafür ist, nur zu verlangen, was ihr wollt: Kann man sich ein schöneres Angebot wünschen?

(Übersetzung: Ali Rıza Kılınç und Katrin Abromeit)


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