Şuan Okunan
Die sichtbaren und unsichtbaren Grenzen von Dortmunder Nordmarkt

Die sichtbaren und unsichtbaren Grenzen von Dortmunder Nordmarkt

Auf der Welt gibt es ganz wenige Plätze, wo eine große Vielfalt von Menschen heimisch sein kann und harmonisch zusammen lebt. Der Park hat eine eigene wunderschöne Grünanlage, die einen sehr funktionellen und lebendigen Lebensraum bietet und das Leben hier ist vielfältig und bunt. Unzählige Platanen, Linden und andere Baumarten, werfen auf die Spazierwege und Sitzplätze der Parkanlage ihren Schatten. Der funktionelle und nicht bebaute mittlere Raum, der Kinderspielplatz, der Käfig…

Umzingelt vom breiten Gehsteig, der genug Platz, für die wöchentlich zweimal stattfindenden, Wochenmärkte zur Verfügung stellt…

Die Rede ist vom Nordpark, der einen öffentlichen Lebensplatz, von ca. 4000 qm, in der Mitte der Nordstadt ausmacht. Aus der Vogelperspektive betrachtet, ähnelt er einem Spielbrett des “Mühlenspiels”, zum Teil ähnelt die Parkanlage auch der Nationalflagge Großbritanniens. In dem Dreieck, im südlichen Teil, befindet sich der Kinderspielplatz. Für die Kinder und Eltern ist das ein sicherer und spaßiger Ort. Der grüne Salon, befindet sich im Nordosten des Parks und ist ein gemütlicher Platz für alle, die es gern bequem haben wollen. Dieser Ort ist räumlich getrennt von den anderen Örtlichkeiten des Parkes. Er spricht auch ein ganz anderes Besucherpublikum an, das sich von den anderen Besucherinnen unterscheidet.

Er ist auch eine Begegnungsstätte für Personen, die sich über die Lebenslage in der Nordstadt den Kopf zerbrechen und sich um eine Veränderung und Verbesserung der Lebenslage bemühen. Gegenüber des Cafes, also im Nordwesten des Parks, liegt ein ruhiges Plätzchen, das den Eltern der spielenden Kinder, Gelegenheit zum durchatmen gibt. Die Südhälfte des Parks erschliesst sich so. Der Kreis im mittleren Raum des Parkes, öffnet sich durch vier Wege in alle vier Richtungen und ist somit auch Anlauf- und Durchlaufstation für alle Besucherinnen des Parkes.

Alle drei Teile des Parkes, die sich im südlichen Abschnitt befinden, ähneln sich. Im östlichen und westlichen Teil des mittleren Abschnitts, befinden sich Tische und Sitzbänke. Diese bieten türkischen, bulgarischen und rumänischen Mitmenschen die Gelegenheit, insbesondere zu Abendstunden, an diesem Ort mit Familie und Freunden zu speisen. Es ist fast so, als ob dieser Platz zu ihrer Wohnung oder zu ihrem Heim gehören würde. Es hat hier den Anschein, dass falls man sich fälschlicher Weise Mal zu diesen Leuten setzen würde, sie einen Fragen, was man denn in ihrer Wohnung zu suchen hat.

Auch in Wahrheit, setzen sich in so einer Situation, zwei Personen sofort mit an den Tisch, um ihren Platz zu verteidigen. Den reichlich gedeckten Tisch, mag man gar nicht beschreiben wollen. Aber eins steht fest, hier ist Vodka auf jeden das offizielle Getränk! Die Bänke und Tische östlich und westlich von diesem Abschnitt des Parkes, die ungefähr in der Mitte liegen, werden eher von denjenigen bevorzugt, die auf der Wiese Platz nehmen. Sie bevorzugen auch eher “andere Dinge” als Vodka! Die Stammgäste dieser Gegend sind auch bekannt und ändern sich fast nie. In südlicher Richtung, befindet sich zwischen den Kioskgeschäften und der Toiletten das Haupttor, welches sich hin zum Nordmarkt öffnet. Hier kann man zu jeder Zeit Menschen antreffen, die im Innen- und Außenbereich des Tores sitzen. Die Stammgäste des Platzes, der in südliche Richtung, mit Hilfe des Ost- und Westflügels wie ein Halbmond um den gesamten Park umzingelt, sind wieder die gleichen Menschen. Dieser Personenkreis wurde aus der Stadt verstoßen und ihr Aufenthalt wird nur hier zugelassen und toleriert. Das sind die Menschen, die “ganz unten” leben!

Während der Weimarer Republik wurde der Stadtteil eine zeitlang „Platz der Republik“ genannt. Der Nordmarkt blieb aber auch zu allen Zeiten für alle seine Bewohner stets als Nordmarkt. Der Platz ist Zeuge des Arbeitermordes im Jahre 1920. Hier ereigneten sich im Jahre 1932 blutige Kämpfe mit der SA. 1945 wurde der Platz erheblichen bombardiert. Im Jahre 1934 wurde der Platz auch Zeuge eines traurigen Geschehens. Ein alter Mann Namens Willi weigerte sich vor dem Hakenkreuz zu salutieren, obwohl er dazu angehalten war. Dazu bemerkte er, er würde dieses Fetzen nicht begrüßen. Daraufhin wurde er geschlagen und schwer verletzt. Wille erlag nach zwei Tagen seinen schweren Verletzungen. Die Migrationswelle ins Zentrum der Nordmarkt fing mit der Arbeitsmigration der polnischen Arbeiter vor über 100 Jahren an und sie dauert heute noch an. Dann kamen die türkischen Gastarbeiter. Bei jeder neuen Migrationsbewegung wächst Nordmarkt und wird noch bunter. Zum Schluss hat sie ihre jetzige Struktur bekommen, die an die der Vereinten Nationen erinnert. Heutztage geht man davon aus, dass 75% der Anwohner in der Nordstadt Migrantinnen und Migrantenkindern wären.

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Die historischen Gebäuden, die den Park umzingeln und die geometrische Bauweise des Parks machen ihn zu jeder Jahreszeit zu einem besonderen Besuchsort. Das sichtbare Design der Grünanlage und die unsichbaren Linien des Alltagslebens machen die zwei Gesichter der Wirklichkeit in dem Nordmarkt deutlich. Um über seine sichtbaren Grenzen mehr zu erfahren, braucht es nur einen kurzen Blickes auf die aus der Luft geschossenen Fotos. Es ist aber nicht leicht, seine unsichtbaren Grenzen, obwohl diese auch manchmal parallel zu den sichtbaren Grenzen verlaufen mögen, zu sehen und diese zu überwinden. Dass Besitzer dieses Ortes existieren, bedeutet auch nicht gleichzeitig, dass diese das auch miteinander kommunizieren mögen.

Menschen, die die gleichen Augenblicke erleben, sich am selben Ort aufhalten und ähnliche Lebensweisen pflegen, kommunizieren keineswegs miteinander. Solange sie nicht müssen, werden die Anderen umgangen. Irgendwie schaffen sie es doch immer wieder miteinander nicht zu reden. Jeder lebt in seiner eigenen Welle, hält sich nur dort auf. Es ist nicht deutlich, ob sie das aus „Respekt gegenüber den Anderen“ oder aus Gründen des „Desinteresse und Nichtsehenwollen“ machen.

Jeder ist mit der Situation, mit der er sich rumschlägt, zufrieden. So wie es scheint, macht sich auch niemand Gedanken darüber. Vielleicht liegt das Problem ja darin, sich nicht zu einem Teil zugehörig zu fühlen oder sich nicht als ein Teil dessen zu betrachten. Genauso wie man die vorhandenen Grenzen nur aus der „Vogelperspektive“ wahrnehmen kann oder im Meer rumschwimmt, aber nicht das Meer sehen kann. Wer mag diese Frage wohl noch beantworten?


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